Noch steht die Entscheidung des Europäischen Parlaments zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 und den Next Generation EU-Wiederaufbaufonds aus.
Es ist mit aller Wahrscheinlichkeit eine Zustimmung zu erwarten. Auf der Kippe schien es jedoch im Europäischen Rat zu sein, als Polen und Ungarn mit einem Veto drohten. Hier sind wir froh über die Einigung, die mit Hilfe der Bundesregierung noch im Europäischen Rat erzielt werden konnte. Ein für die Forschung und den Wissenschaftsstandort Europa wesentlicher Teil der Verhandlungen war und ist das Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Für das Programm sind nach aktuellem Stand 84,9 Mrd. Euro vorgesehen.
Im Prozess der Verhandlungen haben wir mit bedauern beobachtet, dass der Anteil für Horizon Europe stetig gesunken ist. Hier ist es wichtig, zu erörtern, warum die Forschungsförderung für so viele Entscheidungsträger eine aus unserer Sicht zu geringe Priorität hatte.
Schon 2018 begann die Europäische Kommission einen Entwurf für den MFR zu erarbeiten. Eine Expertenkommission hatte zu diesem Zeitpunkt erklärt, dass Europa ein Minimum von 120 Mrd. Euro für die Forschungsförderung investieren muss. Ansonsten würde es schwierig, die Herausforderungen von morgen – Künstliche Intelligenz, Klimawandel –, aber auch in der Grundlagenforschung zu meistern und im Vergleich mit China und den Vereinigten Staaten wettbewerbsfähig zu bleiben. Als im Juli der MFR und Next Generation EU im Europäischen Rat zur Debatte standen, war die Verhandlungsgrundlage eine ganz andere. Die Kommission hatte nur noch 94,4 Mrd. Euro vorgelegt und der Europäische Rat schraubte kontinuierlich die vorgeschlagene Summe im Laufe der Verhandlungen runter. Der Europäische Rat einigte sich nach mehreren Tagen der Verhandlungen schließlich auf einen Haushaltsentwurf. In diesem Ergebnis war der europäische Wissenschaftsstandort ein klarer Verlierer. Das Ergebnis des Juli-Gipfels waren 80,9 Mrd. Euro für Horizon Europe.
Die Wissenschaftsgemeinschaft und das Europäische Parlament haben aber schon früh die Senkungen im Bereich der Forschung kritisiert. Hier sind wir zum einen den Abgeordneten des Europäischen Parlaments, insbesondere den Abgeordneten der Europäischen Volkspartei, dankbar für ihren Einsatz für die Forschung. Das Europäische
Parlament hat schließlich das vorgesehene Budget für Horizon Europe um 4 Mrd. Euro erhöht. Auch für Erasmus+ konnte das Europäische Parlament mehr Geld erbringen. Unser großer Dank geht aber auch an die Wissenschaftsgemeinschaft, die mit einem großen Aufruf auf die Bedürfnisse der Wissenschaft aufmerksam gemacht hat (Rescue Horizon Europe).
Insbesondere die Kürzungen in der Säule “exzellente Wissenschaft” sorgen bei uns für Entrüstung. Hier sind der europäische Forschungsrat (ERC) und das Marie-Skłodowska-Curie-Programm betroffen. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie wurde aufgezeigt, was für eine wichtige Rolle der Forschungsrat spielte, um zu dieser historisch schnellen Impfstoffforschung zu kommen. Jean-Pierre Bourguignon, der Präsident des ERC, fordert deutlich mehr Zuteilung der vorgesehenen Mittel für die Grundlagenforschung, die wir nur bekräftigen können.
Es sind genau diese Entwicklungen, die ganz klar zeigen, dass wir auch auf europäischer Ebene eine starke studentische Interessensvertretung brauchen. Diese muss den Willen
und die Kompetenz haben, rechtzeitig in Vorgesprächen und Verhandlungen einzugreifen und für die Interessen der europäischen Wissenschaft einzutreten. Auch innerhalb der
Europäischen Volkspartei, die sämtliche Regierungen in der EU stellt, müssen wir als Studenten ganz klar in solche Prozesse mit eingebunden und ernst genommen werden.
Auch wir werden weiterhin daran arbeiten, eine starke Stimme auf europäischer Ebene zu werden.